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Die Belastung der Glatt durch Spurenstoffe nimmt ab

Abfischung der Glatt (Foto: SG)

Wie erste Resultate zeigen, wirkt sich die neue Reinigungsstufe in der ARA Oberglatt positiv auf die Gewässerqualität der Glatt aus. Entlang des ganzen Flusses geht die Belastung durch Mikroverunreinigungen zurück.

Die Erwartungen an die technologische Aufrüstung waren gross. Rund 20 Millionen Franken kostet die Erweiterung der ARA Oberglatt in Flawil, und die Bauarbeiten dauerten über zwei Jahre. Der Ausbau umfasste einerseits die Erweiterung der biologischen Reinigungsstufe (Biofiltration) und andererseits den Neubau einer Stufe zur Entfernung von Mikroverunreinigungen (EMV). Nun zeigt eine Erfolgskontrolle, dass sich der Aufwand gelohnt hat. «Die Resultate stimmen uns sehr optimistisch», sagt Reto Gnägi, Geschäftsführer des Abwasserverbands Flawil-Degersheim Gossau, «es zeichnet sich ab, dass mit der neuen EMV-Stufe ein weiteres Kapitel der Erfolgsgeschichte des Gewässerschutzes an der Glatt geschrieben wird.»

Die gemeinsam von den Gemeinden Flawil, Gossau und Degersheim betriebene ARA Oberglatt wurde letztmals in den Jahren 1999 bis 2003 ausgebaut. Jetzt war ein erneuter Ausbau nötig. Die biologische Reinigungsstufe musste erweitert werden, da sie ihre Kapazitätsgrenze erreicht hatte. Aufgrund des hohen Anteils des gereinigten Abwassers im Gewässer und der damit verbundenen hohen Belastung der Glatt musste zudem eine EMV-Stufe erstellt werden. Dies wird seit 2016 auch von der eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung verlangt. Das gesetzlich vorgeschriebene Ziel ist die Reduktion von 80 Prozent aller Mikroverunreinigungen.

Aktivkohle-Verfahren zuerst in Herisau und nun in Flawil

Unter dem Begriff Mikroverunreinigungen oder Spurenstoffe wird eine Vielzahl von Substanzen zusammengefasst; zum Beispiel Medikamente, Pflanzenschutzmittel, Lebensmittelzusätze, Inhaltsstoffe von Kosmetika oder Reinigungsmitteln. Viele dieser Stoffe gelangen über das häusliche und das industrielle Abwasser in die ARAs und werden, wenn sie nicht mit einer EMV-Stufe gereinigt werden, in Flüsse und Bäche eingeleitet. Dort beeinflussen sie die Gewässerökologie und können Wasserlebewesen gefährden. Mikroverunreinigungen wirken sich nicht nur negativ auf die Gewässerqualität aus, sie finden sich auch im Grundwasser wieder, das in der Schweiz die wichtigste Trinkwasserressource darstellt. 

Bei der EMV-Stufe, die in der ARA Oberglatt im Herbst 2021 in Betrieb ging, kommt das sogenannte Pulveraktivkohle-Verfahren zum Einsatz. Dabei binden sich die Mikroverunreinigungen an Kohlenpartikel, die anschliessend aus dem Abwasser abgetrennt werden. Bereits die ARA Herisau hatte dieses Verfahren für ihre EMV-Stufe gewählt, die seit Juni 2015 erfolgreich im Einsatz ist. Schon kurz nach der Inbetriebnahme gelangten dank dieser Verbesserung deutlich weniger Mikroverunreinigungen mit dem gereinigten Abwasser in die Glatt – und wie das Umweltmonitoring ergab, gingen dadurch unter anderem auch die Stressfaktoren für die Fische zurück. Bloss wurden die im Oberlauf der Glatt erzielte Verbesserung durch das Abwasser der damals noch nicht ausgebauten ARA Oberglatt praktisch wieder zunichte gemacht.

Risiko durch Medikamentenrückstände ist zurückgegangen

Dem ist heute nicht mehr so. Verschiedene Untersuchungen vor und nach der Inbetriebnahme der EMV-Stufe in Flawil durch das Amt für Wasser und Energie (AWE) des Kantons St. Gallen und durch die Eawag, das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, zeigen bei der Qualität des Wassers, das nach der Reinigung in die Glatt geleitet wird, eine positive Entwicklung, dies sowohl bei den chemischen wie bei biologischen Auswirkungen. So hat sich zum Beispiel das Risiko für Gewässerorganismen durch den Wirkstoff Diclofenac, der zum Beispiel im Schmerzmittel Voltaren enthalten ist, im Vergleich mit 2020 halbiert. Auch hormonaktive Substanzen sind nachweislich zurückgegangen. Ausserdem zeigten Untersuchungen an Bachforellen eine Reduktion von Stressfaktoren nach Inbetriebnahme der EMV-Stufe. «Es ist noch zu früh, um die positiven Folgen der neuen Reinigungsstufe der ARA Oberglatt im Detail zu kennen», sagt Vera Leib, Leiterin der Abteilung Gewässerqualität des Amts für Wasser und Energie St.Gallen, «aber schon ein Jahr nach der Inbetriebnahme lässt sich sagen, dass die EMV-Stufe dazu geführt hat, dass die Belastung mit Mikroverunreinigungen nun unterhalb der ARA Oberglatt erheblich abgenommen hat.»

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Glattkommission

Die Glattkommission wurde 1984 als Fach- und Koordinationsgremium von den Regierungsräten der Kantone Appenzell Ausserrhoden und St.Gallen eingesetzt. Sie umfasst Vertreter der beiden kantonalen Umweltschutzämter, aller Glattgemeinden, Interessen- resp. Branchenvertreter (Industrie, Landwirtschaft) sowie Fachspezialisten. Die Glattkommission hat - obschon im offiziellen Auftrag der beiden Kantone arbeitend - keine Vollzugskompetenz; es handelt sich um ein beratendes Gremium. Die Arbeit konzentriert sich auf die Problemdefinition und die Erarbeitung von Lösungen im Konsens. Massnahmen und Lösungsvorschläge werden als Empfehlungen an die Ansprechpartner (z.B. Industrie) resp. Vollzugsbehörden formuliert.

Basis der Arbeiten der Glattkommission ist die kontinuierliche Abwasser- und Gewässeruntersuchung. Sie ermöglicht die Quantifizierung einzelner Teilprobleme, die Prioritätensetzung und eine Gesamterfolgskontrolle.

Zusätzliche Informationen

Amt für Umwelt

Kasernenstrasse 17A
9102 Herisau
T: +41 71 353 65 35